Die Liebe Christi verschweigen?

1. Warnung vor “falschen Propheten”. Vor mehreren Wochen ergab sich für mich nun endlich eine gute Gelegenheit, für einige Tage als Pilger nach Jerusalem zu reisen. Damit erfüllte sich für mich ein langgehegter Wunsch. Eine solche Pilgerfahrt ins Heilige Land ist in gewisser Hinsicht sicher ein Höhepunkt für einen jeden frommen Christgläubigen.
Als wir dann vom Flug-hafen in Tel Aviv mit einem Shuttle-Bus nach Jerusalem fuhren, passierten wir in Jerusalem selbst einen Stadtbezirk (Me’a She’arim), in welchem mehrheitlich so genannte ultraorthodoxe Juden leben. Diese Menschen sind einheitlich schwarz gekleidet (langärmelige Kleider und Wollstrümpfe, Männer mit typischen schwarzen Hüten) und kennen weder Radio noch Fernsehen noch Zeitungen. Sie anerkennen nicht den Staat Israel, sondern leben in ihren Vierteln strikt nach den Gesetzen der Thora bzw. anderer jüdischer Religionsanordnungen, welche sie übrigens (manchmal sogar absurderweise) wortwörtlich auslegen.
Als wir nun auf der Straße durch dieses Jerusalemer Stadtviertel fuhren, waren links und rechts zahlreich solche ultraorthodoxe Juden zu sehen. Da erfüllte mich bei ihrem Anblick ein sehr großes und aufrichtiges Mitleid mit diesen letztendlich sehr armen Menschen. Denn obwohl (oder auch gerade weil) sie sich selbst allen anderen Menschen gegenüber ziemlich arrogant benehmen bzw. ein weitestgehend unnachgiebiges Verhalten an den Tag legen, sind sie doch sehr zu bedauern. Denn auf der einen Seite leben sie zwar so nah an den historischen Stätten des Heilswirkens Gottes in Jesus Christus (weswegen sie beneidet werden könnten), aber auf der anderen Seite sind sie Ihm doch so fern! Sie warten zwar auf den Messias, der den Vätern und Propheten (des Alten Testamentes) verheißen worden ist, übersehen aber (in ihrer Überheblichkeit und in ihrem Stolz?), dass dieser göttliche Erlöser bereits in ihrer Mitte gelebt hat - dass das Gute praktisch gleich neben ihrer Haustür zu finden ist!
Selbstverständlich ist es ein Gebot der verantwortungsbewussten Vorsicht, einen jeden, der sich für ein wie auch immer geartetes Sprachorgan Gottes ausgibt oder als ein so genannter Heilsbringer in Erscheinung tritt, genau zu prüfen bzw. ihm kritisch sozusagen auf die Finger zu schauen. Der hl. Apostel Johannes warnt uns auch eindringlich, nicht jedem hergelaufenen “Propheten” ohne weiteres sein Ohr zu leihen bzw. Glauben zu schenken: “Geliebte, traut nicht jedem Geist! Prüft vielmehr die Geister, ob sie aus Gott sind! Denn viele falsche Propheten sind in die Welt ausgezogen.” (1 Joh 4,1)
Und vor allem kann die betreffende Warnung Jesu selbst als ein Maßstab für die sittliche Beurteilung und sachliche Einordnung solcher Gestalten dienen: “Hütet euch vor den falschen Propheten! Sie kommen in Schafskleidern zu euch, innen sind sie aber reißende Wölfe. An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen. ... So bringt jeder gute Baum gute Früchte; ein schlechter Baum aber bringt schlechte Früchte. ... An ihren Früchten also sollt ihr sie erkennen.” (Mt 7,15.17.20)
Insofern ist es durchaus legitim, auch die Worte, Lehren und Taten Jesu sachlich im kritischen Licht zu überprüfen. Jesus fordert uns praktisch auf jeder Seite des Evangeliums sogar ausdrücklich dazu auf, sich ehrlich mit Seiner Person und bewusst mit Seiner Lehre auseinanderzusetzen - ein reines Mitläuferchristentum entspricht nicht im geringsten Seinen Erwartungen! Denn nur der Glaube eines Menschen, der sich bewusst für Ihn entscheidet, kann sich dann auch bei zahlreichen Prüfungen und allerlei Widerwärtigkeiten wirklich bewähren.
So ist auch die Antwort Jesu auf die Ihm von Johannes dem Täufer durch zwei seiner Jünger gestellte Frage bezeichnend, ob Er denn der sei, “‘der da kommen soll, oder sollen wir einen anderen erwarten?’ Jesus antwortete ihnen: ‘Geht hin und kündet Johannes, was ihr hört und seht: Blinde sehen, Lahme gehen, Aussätzige werden rein, Taube hören wieder, Tote stehen auf, Armen wird die Frohbotschaft verkündigt. Wohl dem, der an Mir keinen Anstoß nimmt!’” (vgl. Mt 11,2-6)
Zwar könnte man hier zunächst den Eindruck gewinnen, als würde Jesus eine ausweichende Antwort auf die betreffende Frage geben. Beim genauen Hinschauen erkennt man aber, dass Jesus hier nichts anderes tut als Seine Zuhörer dazu anzuregen, den eigenen Verstand einzuschalten und durch das sachliche und unvoreingenommene Bewerten Seiner Worte und Taten selbst auf die erwünschte Antwort zu kommen. Denn wenn jemand solche Zeichen und Wunder wirkt wie Jesus, dann kann er doch wohl nicht irgendein billiger Schwindler oder hergelaufener Scharlatan - kein “falscher Prophet” - sein!
2. Kraft der Worte Jesu. Jeder, der Jesus begegnete und nicht in Verblendung sein eigenes Herz vor Ihm verschloss, hat erkennen können, dass sich hier mehr als nur etwas Ungewöhnliches ereignete. Allein schon in Bezug auf die Bergpredigt Jesu, welche auch als das kleine Evangelium bezeichnet wird, haben die Zuhörer Jesu erkannt, dass hier jemand wirklich das Wort Gottes darlegt: “Als Jesus diese Reden beendet hatte, wurden die Volksscharen von Staunen über Seine Lehre ergriffen. Denn Er lehrte sie wie einer, der Macht hat, und nicht wie ihre Schriftgelehrten und Pharisäer.” (Mt 7, 28f.)
Man lese bitte die Bergpredigt und verinnerliche, wie präzise hier (und auch sonst) Jesus darauf hinweist, welche Denkweise eigentlich gottwohlgefällig ist, welches praktische Verhalten allein Seinem heiligen Gebot entspricht! Keine wie auch immer geartete menschliche Beimischung eines falschen Kompromisses mit Unrecht oder Sünde spricht daraus - sozusagen göttlicher Wille im Originalton bzw. in seiner allerreinsten Fassung!
Und mit welcher Schärfe des Geistes geißelt Er die Sünde, mit welcher Genauigkeit beschreibt Er das Übel des Verflochtenseins in menschlich-irdische Mentalität! Es ist ja ebenfalls bezeichnend, dass Jesus auch bei Seiner betreffenden Kritik die Finger immer genau in die Wunde legt bzw. unmissverständlich klar das eigentliche Problem aufzeigt. Dies zeugt von einer solchen moralischen Hoheit, welche offenkundig weit über das Maß des Menschlichen hinausgeht.
Diese Klarheit, Deutlichkeit und Konzentration der Aussagen Jesu (im gesamten Evangelium!) kann nicht einem rein menschlichen Denken entstammen - sie muss göttlichen Ursprungs sein! Offensichtlich sahen auch die betreffenden “Volksscharen” diese überzeugende Kraft der Worte Jesu, als sie nämlich “von Staunen über Seine Lehre ergriffen” waren. Was habe da Jesus etwa versäumt, um die Menschen nicht im Unklaren über Seine Lehre zu lassen? Was hätte man da etwa noch besser machen bzw. weiser tun können? Für das Ablehnen der Lehre Jesu gibt es kein hinreichendes Argument!
3. Die Heiligkeit und die Wunder Jesu. Und dann die alles entscheidende Frage an die Adresse der Juden: “Wer von euch kann Mich einer Sünde überführen? Wenn Ich euch die Wahrheit sage, warum glaubt ihr Mir nicht? Wer aus Gott ist, hört auf Gottes Wort. Darum hört ihr nicht darauf, weil ihr nicht aus Gott seid” (Joh 8,46f.) Es steht doch außerhalb eines jeden Zweifels, dass jemand, der ein echter Gesandter Gottes ist, ganz besonders moralisch integer und im Willen Gottes verwurzelt sein muss. Den “falschen Propheten” erkennt man nicht selten gerade auch daran, dass er eben nicht die Güte und Barmherzigkeit Gottes ausstrahlt, sondern (auch) eigene, egoistische Ziele verfolgt.
Wie viele Wunder hat denn Jesus im Laufe Seiner öffentlichen Tätigkeit als Ausdruck der Güte und Barmherzigkeit Gottes gewirkt! Und alle, die diese Liebe erfahren und miterleben durften, waren zugleich auch sehr angetan von der Uneigennützigkeit des Vorgehens Christi. Exemplarisch hierfür können sowohl die Auferweckung des Jünglings von Naim, des Sohnes einer Witwe, als auch die des Lazarus Erwähnung finden. Im ersten Fall “ward Er von Mitleid mit ihr (der Mutter - Anm.) ergriffen, weswegen es dann auch heißt: “(Ehr)Furcht ergriff alle. Sie priesen Gott und sagten: ‘Ein großer Prophet ist unter uns aufgestanden.’ - ‘Gott hat Sein Volk heimgesucht’” (vgl. Lk 7,11-17)
Und im zweiten Fall wird uns im Evangelium in Bezug auf Maria, die Schwester des Lazarus, berichtet: “Als nun Jesus sah, wie sie weinte und wie auch die Juden weinten, die mit ihr gekommen waren, wurde Er innerlich tief ergriffen und erschüttert. ... Jesus brach in Tränen aus. Da sagten die Juden: ‘Seht doch, wie lieb Er ihn hatte!’”
Desweiteren heißt es dann: “Aufs neue innerlich ergriffen ging Er zum Grab”. Jesus weckt Lazarus von den Toten auf, was unter anderem auch dazu führte, dass “viele von den Juden, die zu Maria und Martha gekommen waren und gesehen hatten, was Jesus getan hatte, nun an Ihn glaubten.” (vgl. Joh 11,17-44) Ein jeder Mensch, der innerlich nicht verdorben ist, muss zu derselben Schlussfolgerung kommen, wie dies übrigens auch “ein jüdischer Ratsherr namens Nikodemus” tat, als er “des Nachts zu Ihm kam und zu Ihm sagte: ‘Meister, wir wissen, dass Du ein Lehrer bist, der von Gott gekommen ist; denn niemand kann die Wunderzeichen wirken, die Du wirkst, außer Gott ist mit ihm’” (Joh 3,1f.)
Auf denselben Grundsatz haben sich auch jene Pharisäer berufen, die die Heilung des Blindgeborenen durch Jesus als ein Zeichen für die Sündenlosigkeit Jesu hätten verstehen können: “Da sagten einige von den Pharisäern: ‘Dieser Mensch da ist nicht von Gott, Er hält ja den Sabbat nicht.’ Andere aber meinten: ‘Wie kann ein Sünder solche Wunderzeichen wirken?’” (Joh 9,16)
Bezeichnenderweise hat man dann auch keine einzige echte Sünde oder Übeltat gefunden, die Jesus begangen haben sollte, als man Ihm nämlich den Prozess machen wollte: “Die Hohenpriester und der ganze Hohe Rat suchten nach einem falschen Zeugnis gegen Jesus, um Ihn in den Tod zu bringen. Doch fanden sie keines, trotz der vielen falschen Zeugen, die auftraten.” (Mt 26,59f.) Somit weist der Prozess, der Jesus vor fast 2000 Jahren seitens der führenden Schicht des damaligen Judentums gemacht wurde, gewaltige Mängel auf - die damalige historische Ablehnung Jesu durch die Juden beruht auf einer eindeutigen Lüge bzw. auf einer gröbsten Missachtung elementarer moralischer wie juristischer Grundsätze!
Auch da gibt es also keine moralische Legitimation, an der Echtheit der Güte und Liebe Jesu zu zweifeln! Man mache doch bitte nur die Augen auf bzw. weite das Herz, um die Macht der Heiligkeit Christi zu erkennen: “Da war eine große Schar Seiner Jünger und eine zahlreiche Menge Volkes aus ganz Judäa, Jerusalem und dem Küstenland von Tyrus und Sidon. Sie waren gekommen, um Ihn zu hören und von ihren Krankheiten geheilt zu werden. Die von unreinen Geistern geplagt waren, wurden geheilt. Alles Volk suchte Ihn anzurühren; denn eine Kraft ging von Ihm aus und machte alle gesund.” (Lk 6,17-19)
4. Die Liebe Christi. Und als ich dann während meines Jerusalem-Aufenthaltes an einem Tag auf dem Platz vor der Grabeskirche stand, die ja als die Hauptkirche der Christenheit gilt, fuhr es mir schlagartig durch den Kopf, wie sozusagen gewaltig und alles überwältigend die Liebe Jesu war, welche Er gerade auch in dieser Stadt und an dieser Stelle an den Tag legte! Im Gethsemani-Garten unten im Cedrontal hat Er so intensiv den Ihm bevorstehenden Leidenskelch gesehen und die Todesangst erlebt, dass Er sogar Blut geschwitzt hat. Er nimmt den darauffolgenden Verrat durch einen Seiner eigenen Apostel auf sich sowie die schmachvolle Gefangennahme. Er als der Heilige und Sündenlose wird dann vor dem Hohen Rat in einem Schauprozess als ein Sünder und Übeltäter “überführt” und zum Tode verurteilt. Dabei verleugnet Ihn auch dreimal ein anderer der Apostel, der Ihm sogar ganz besonders nahe stand. - Welch ein gewaltiger und von einem Menschen kaum zu ertragender seelischer Schmerz (ohne dass man psychische Schäden davon trägt), den Er aus unbegreiflicher Liebe zum Menschengeschlecht bewusst auf sich genommen und letztendlich freiwillig ertragen hat!
Er erleidet in dieser Stadt die furchtbare Dornenkrönung, wird gegeißelt und schleppt im geschwächten Zustand das Kreuz auf den Golgota-Hügel hinauf. Kein Wunder, dass Er dreimal entkräftet unter der Last des Kreuzes zusammenbricht und den Umstehenden wie ein Häufchen Elend erscheint. - Er, der unser Mitgefühl verdient, erduldet diese Schmerzen und die Ihn niederdrückende Last des Kreuzes aus lauter echtem Mitleid mit uns bzw. aufgrund Seines erbarmenden Herzens in Bezug auf uns, die wir doch dieses Elend durch unsere Sünden vor Gott und den Menschen verursacht haben! Mit stellvertretender und ein jedes Maß des Begreiflichen übersteigender Liebe, dem so genannten Übermaß an Liebe, will Er den gewaltigen Mangel an Liebe, den wir mit unseren zahlreichen Verfehlungen vor Gott “produzieren”, vor Seinem Vater sozusagen “ersetzen” - sühnen und wiedergutmachen!
An einer Stelle an der Mauer der heutigen Grabeskirche, nicht weit des Eingangs, wurde Jesus dann Seiner Kleider beraubt. Auf dem Golgotahügel, innerhalb der Grabeskirche, wurde Er ans Kreuz geschlagen und gleich daneben, wo heute der Kreuzigungsaltar steht, hat der Heiland drei Stunden lang die unvorstellbaren Schmerzen eines Gekreuzigten ertragen - und zwar nicht mit Schimpfen und Fluchen, wie nicht wenige der Ärmsten, die in der Antike dasselbe furchtbare Schicksal der Kreuzigung ereilt hatte, sondern sogar mit göttlicher Vergebungsbereitschaft mit dem reuigen Schächer nebenan und einem mitleiderfüllten Gebet für die eigenen Verfolger auf den Lippen!
Ist das alles nicht Ausdruck und Beweis einer solchen Art an Barmherzigkeit, welche für einen Menschen praktisch unvorstellbar ist und uns alle zutiefst erschüttern müsste! Wie kann man denn blind oder teilnahmslos an dieser jegliches Maß des Verständlichen übersteigenden Erlöserliebe vorbeigehen, ohne dass das eigene Herz davon berührt und der Verstand ergriffen werde?
Jesus erleidet am Kreuz die bitterste Gottverlassenheit, um uns nach unserem schändlichen Sündenfall zurück zu Gott zu führen: “Er hat uns die Fehltritte vergeben, hat die Schuldschrift, die uns mit ihrer Anklage belastete, ausgelöscht und vernichtet, da Er sie ans Kreuz heftete. Er hat die Mächte und Gewalten entwaffnet, offen an den Pranger gestellt und durch Ihn über sie triumphiert.” (Kol 1,14f.) Er leitet den gewaltigen Fluch der Sünde, den unsere Sünden heraufbeschworen haben, wie einen Blitz auf sich selbst ab, leidet ihn angesichts Seines erbarmenden Herzens sozusagen durch und entkräftet bzw. überwindet somit durch Sein stellvertretendes Leiden und Sterben die Sünde als solche in ihrem Kern: “Er hat den, der von Sünde nichts wusste, für uns zum Träger der Sünde gemacht, damit uns durch Ihn Gottes Gerechtigkeit zuteil werde”! (2 Kor 5,21)
Zwar ist es natürlich richtig, was Jesus selbst sagt, dass nämlich auch “falsche Messias und falsche Propheten auftreten werden und große Zeichen und Wunder wirken, um wo möglich selbst die Auserwählten irrezuführen”. (vgl. Mt 24,24) Aber bei jedem “falschen Propheten” kommt irgendwann zum Vorschein, welche unsittliche Ziele er letztendlich verfolgt, wessen Geistes Kind bzw. wessen Herrn Diener er eigentlich ist. Und kann man denn angesichts des gänzlich uneigennützigen und sich selbst als reines Opferlamm für die Sünder verzehrenden Beispiels Jesu nach den Gesetzen der Vernunft und Logik überhaupt noch irgendeinen Zweifel daran haben, dass Er nicht nur nicht im geringsten irgendein hergelaufener Schwindler ist, sondern dass in Ihm darüber hinaus sogar Gott selbst die Welt mit Seiner Liebe, Gnade und Barmherzigkeit heimgesucht hat!
5. Diese Liebe Jesu verschweigen? Ein jeder Mensch, der diese unendliche Liebe Christi sieht, erkennt und verinnerlicht, kann doch nicht mehr so tun, als wäre es ihm egal, ob nun auch die anderen Menschen ebenfalls zu dieser Quelle des Heils hingeführt würden, um ebenfalls Seiner Liebe und Erlösergnade teilhaftig zu werden. Diese Liebe Christi nicht sehen bzw. den anderen sogar bewusst verschweigen zu wollen, würde doch bedeuten, dass man Gott keine legitime Wertschätzung und echte Liebe entgegenbringt und Ihm eben eher mit Desinteresse und Gleichgültigkeit begegnet. “Wer nicht mit Mir ist, ist wider Mich; wer nicht mit Mir sammelt, der zerstreut” (Lk 11,23).
In unserer Gesellschaft widerspricht es heute der so genannten politischen Korrektheit, wenn man darauf hinweist, dass das Christentum wesentlich mehr ist als die anderen Religionen, dass der christliche Glaube allein das wahre Heil vermittelt und somit alleinseligmachend ist, dass die Person Jesu heilsrelevant weit über allen anderen Religionsstiftern steht, wie auch immer sie heißen mögen, dass “kein anderer Name unter dem Himmel den Menschen gegeben ist, durch den wir das Heil erlangen sollen” (Apg 4,12). Sofort wird man da mit der ganzen Wucht der Massenmedien als “respektlos”, “intolerant”, “extremistisch”, “antisemitisch”, “islamophob” und weiß der Kuckuck wie noch abgestempelt.
Aber allein schon der Vergleich im Hinblick auf das Wesen der Aussagen in den jeweiligen Religionen offenbart, dass sich weder das Judentum noch der Islam noch der Buddhismus noch alle anderen heidnischen Religionen im Entferntesten diesselbe heilsgeschichtliche Aussage beinhalten, wie sie das Christentum kennt: Gott erbarmt sich der sündigen Menschheit, die sich durch die Sünde von Ihm losgesagt hat, indem Er nämlich Mensch wird und durch das stellvertretende Liebesopfer Seiner selbst die Erlösung von der Sünde bewirkt und wieder Frieden stiftet zwischen Himmel und Erde!
Im heutigen Judentum steht “Gott” als ein weitestgehend unnachgiebiger Gesetzesgeber im Vordergrund. Er habe sich im eigentlichen Sinn des Wortes letztendlich nur einem einzigen, “auserwählten” Volk zugewandt, welches allein deswegen über allen anderen Völkern stünde, um die er sich nicht weiter zu kümmern habe, sondern sie sozusagen seelenruhig ihrem eigenen Schicksal überlasse. So definiert man ja auch die Zugehörigkeit zum Judentum als Religion bezeichnenderweise durch die biologische Abstammung vom Judentum. Denn nur der ist da ein vollwertiges Mitglied dieser Religionsgemeinschaft, der entsprechende ethnische Vorfahren vorweisen könne.
Im Islam ist “Gott” ein allmächtiger und rachsüchtiger Herrscher, der jede Abweichung von seinem “Gebot” mit unnachgiebiger Härte bestrafe - kein Mitleid, kein Pardon! Auch die echt empfundene Reue spielt da keine entscheidende Rolle - zuerst kommt die Rache “Allahs”! (Praktisch gesprochen müsse man als einzelner Mensch da überwiegend nur “richtig” im politisch-gesellschaftlichen System funktionieren.) Bezeichnenderweise kennt der Islam auch keine wie auch immer geartete Einrichtung, die wenigstens entfernt unserer Beichte gleichkäme oder ihr irgendwie ähneln würde.
Im christlichen Glauben dagegen steht die Liebe und Vergebungsbereitschaft Gottes im Vordergrund bzw. im Mittelpunkt des heilsgeschichtlichen Geschehens! Schon im Alten Testament sprach Gott durch den Propheten Ezechiel die fundamentale Wahrheit aus: “Ich habe kein Wohlgefallen am Tode des Gottlosen, sondern daran, dass sich der Gottlose von seinem Wege bekehre und lebe” (Ez 33,11)! Wer seine Sünden aufrichtig bereut und als Folge davon ernsthaft an der Umkehr von seinem bisherigen falschen Lebenswandel arbeitet, erhält immer eine Chance auf die Vergebung durch Gott.
Und die neutestamentarische heilsgeschichtliche Aussage gipfelt im dem Satz: “So sehr hat Gott die Welt geliebt, dass Er Seinen Eingeborenen Sohn dahingab, damit jeder, der an Ihn glaubt, nicht verloren gehe, sondern ewiges Leben habe. Denn Gott hat Seinen Sohn nicht dazu in die Welt gesandt, dass Er die Welt richte, sondern damit die Welt durch Ihn gerettet werde!” (Joh 3,16f.) So ist also die Erlösung das eigentliche Ziel des Kommens und Heilswirkens Jesu!
Möge jemand auch immer wieder fallen und sich im Gestrüpp der Sünde und des Lasters verheddern, geht Gott diesem verlorenen Schaf nach und “freut” sich über dessen Rückführung zur Herde (vgl. Mt 18,12-14). Und dem verlorenen Sohn des Evangeliums hält der Hausvater bzw. Gott sogar ein großes Festmahl ab, denn er “war tot und lebt wieder; er war verloren und ist wieder gefunden worden” (vgl. Lk 15,11-32). Dabei gilt bei Jesus ausdrücklich als moralische Richtschnur, dass man nicht nur “bis siebenmal, sondern siebenundsiebzigmal” vergeben soll (vgl. Mt 18,21f.), das heißt jedes Mal, wenn ein reuiger Sünder um Vergebung bittet!
Zwar ist es in unserer heutigen Gesellschaft richtig verpönt, auf die herausragende Bedeutung der christlichen Grundidee hinzuweisen bzw. im Widerspruch zur “politischen Korrektheit” sachlich zu diskutieren. Aber ein echter Christ kann nicht schweigen, wenn es darum geht, das Christentum auf dieselbe heilsgeschichtliche Stufe zu stellen wie die Lehren nichtchristlicher Religionen, bzw. wenn Jesus mit so manchen uns bekannten “falschen Propheten” gleichgesetzt werde, obwohl sie Ihm, objektiv gesehen, weder persönlich noch heilsrelevant irgendwie im entferntesten das Wasser reichen können!
6. Der Verrat der “Konzilskirche”. Wenn dann auch noch die “Konzilskirche” praktisch eine jegliche christliche Mission eingestellt hat und sich in den so genannten Missionsländern einzig und allein auf wirtschaftliche und soziale Projekte beschränkt, dann zeigt das an, dass diese Gemeinschaft ebenfalls nicht mehr wirklich an Jesus Christus als den göttlichen Erlöser glaubt - manchen “frommen” Lippenbekenntnissen zum Trotz. Wenn angeblich in allen Religionen als solchen zum wahren und lebendigen Gott gebetet werde und sie somit praktisch alle das Heil vermitteln können, was z.B. die unter der Regie der “Konzilspäpste” wiederholt durchgeführten interreligiösen Gebetstreffen in Assisi offenkundig signalisieren, dann bedeutet dies in letzter Konsequenz nichts geringeres als die komplette Entwertung des Sühneleidens und Liebesopfers Jesu Christi! Diese Leugnung Seines stellvertretenden Erlösungswerkes kommt nach genuiner christlicher Logik einer Apostasie, der Aufgabe des christlichen Glaubens, gleich!
Man berücksichtige dabei auch die in den letzten Jahren wiederholt geäußerten Feststellungen des Vatikan, wonach der Alte Bund noch immer seine Gültigkeit und Geltung besitze, und dass daher die Juden ausdrücklich auch ohne die Bekehrung zu Jesus Christus und die Taufe im Namen des Dreifaltigen Gottes das Heil finden könnten. Man erklärt seitens des Vatikan ausdrücklich, dass man die christliche Mission unter Juden bewusst eingestellt habe - sie entbehre theologisch sogar gänzlich ihrer Logik!
Wenn man aber Jesus nicht als den Erlöser aller Menschen hinstellt und es Menschen gäbe, die sozusagen getrost und mit göttlicher Genehmigung auf Sein Erlösungswerk verzichten könnten, dann bedeutet dies, dass Er nicht nur umsonst gelitten hat und vergebens für uns gestorben ist, sondern auch, dass Sein Sühneleiden grundsätzlich weder vollkommen noch hinreichend gewesen sei. Der Erlösung, der Sohnschaft Gottes als der wiedergeschenkten innigsten Gemeinschaft mit Ihm, könne man somit nicht nur völlig unabhängig von Jesus teilhaftig werden, sondern sogar auch in bewusster und ausdrücklicher Ablehnung Seiner Person und Seines Wirkens! Furchtbar, welche Konsequenzen sich daraus ergeben.
Außerdem lebt ja der ganze Alte Bund von der Sehnsucht nach dem Kommen des Messias bzw. von der Erwartung, dieser Sohn Gottes werde das Volk von seinen Sünden befreien und die geistige Herrschaft Gottes auf Erden wiederherstellen: “Sie werden des Herrn Herrlichkeit, die Pracht unseres Gottes schauen. ... Sagt den Verzagten: ‘Seid stark! Fürchtet euch nicht! Seht da, euer Gott! ... Er selbst wird kommen, euch zu erlösen.’” (Is 35,2.4) Somit ist der Alte Bund in sich selbst gewissermaßen nicht abgeschlossen - ihm fehlt das entscheidende Element der Erfüllung durch den kommenden Messias!
Und wenn sich dann diese Erfüllung nach der elementaren christlichen Glaubensüberzeugung in der Person und im Heilswirken Jesu Christi vollzieht (“Sie wird einen Sohn gebären, dem sollst du den Namen Jesus geben; denn Er wird Sein Volk erlösen von seinen Sünden” [Mt 1,21]), wie kann dann der Alte Bund heute insofern immer noch seine Geltung besitzen, dass die Juden aus christlicher Sicht legitimerweise auf den kommenden Messias warten? Das ist doch ein gewaltiger Widerspruch in sich!
Ist nun Jesus der verheißene Messias oder nicht? Hat Er nun die Alten Schriften erfüllt oder nicht? (“Ihr forscht in den Schriften, weil ihr in ihnen ewiges Leben zu haben meint. Gerade sie sind es, die für Mich Zeugnis geben. Und doch wollt ihr nicht zu Mir kommen, um Leben zu haben.” [Joh 5,39f.]) Hat Er nun durch Seine Leiden und Sein Sterben Sühne gewirkt für die Sünden der Menschen oder nicht? Ist Er der göttliche Erlöser oder nicht? Diese Fragen formal zu bejahen, dann aber gleichzeitig entschieden zu behaupten, der Alte Bund habe für die Juden ohne Zweifel noch voll und ganz seine Berechtigung, stellt die Bejahung der obigen Fragen praktisch sehr stark in Frage bzw. relativiert sie gewaltig und kommt strenggenommen einer Leugnung der Gottessohnschaft und des Heilswirkens Christi gleich! Das ist doch Apostasie, Abfall vom christlichen Glauben, was Joseph Ratzinger und der Vatikan heute betreiben!
Wie wir sehen, geht es bei dieser Frage nicht um irgendwelche nebensächlichen theologischen Themen. Nein, sie berührt das Wesen des Christentums bzw. erschüttert die Grundfesten des christlichen Glaubens und der christlichen Identität! Offensichtlich ist der “Konzilskirche” nichts mehr heilig, da sie sich ja - um sich den jüdischen wie moslemischen Kräften anzubiedern -, nicht einmal scheut, das ganze Christentum in Frage zu stellen.
Offenkundig geht es auch dem gegenwärtigen “Papst” Benedikt XVI. in erster Linie und zuvörderst um Politik und Freundschaft mit einflussreichen nichtchristlichen Kreisen, denen zuliebe er die Einmaligkeit der Person und des Heilswirkens Jesu Christi sowie die Universalität und Exklusivität Seines stellvertretenden Erlösungsopfers zu opfern scheint, welches Er zu unserem aller Heil in Jerusalem auf Golgota vollzogen hat: “Er will, dass alle Menschen gerettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen. Es gibt ja nur Einen Gott und nur Einen Mittler zwischen Gott und den Menschen: den Menschen Christus Jesus, der sich zum Lösegeld für alle dahingegeben hat.” (1 Tim 2,4f.); “Er ging ... mit Seinem eigenen Blut ein für allemal in das Allerheiligste hinein: Er, der eine ewig gültige Erlösung bewirkt hat” (Hebr 9,12).

P. Eugen Rissling

 

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